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Pressemitteilung zum Startchancen-Programm
Pressemitteilung zum Startchancen-Programm 22.07.2024
Startchancen-Programm: Ein Tropfen auf dem heißen Stein
Das Startchancen-Programm hat das Potenzial, die Bildungsgerechtigkeit in Nordrhein-
Westfalen zu fördern. Dennoch sehen wir, die Landeselternschaft der integrierten Schulen in
NRW (LEiS-NRW), einige kritische Punkte, die einer sorgfältigen Betrachtung bedürfen.
Es ist allgemein bekannt, dass Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwachen
Familien an deutschen Schulen deutlich schlechtere Chancen haben als ihre Mitschüler aus
wohlhabenderen Haushalten. Diese Ungerechtigkeit ist seit Jahrzehnten durch zahlreiche
Studien belegt. Mit dem Startchancen-Programm soll sich dies ändern. Einige Experten
sprechen von einem Paradigmenwechsel, sogar von einem neuen Zeitalter im deutschen
Bildungssystem.
Nach monatelangen Verhandlungen haben sich Bund und Länder geeinigt: Über zehn Jahre
hinweg will der Bund jährlich bis zu einer Milliarde Euro an die Länder geben, die sich in
gleicher Höhe beteiligen sollen. 4.000 Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter
Schülerinnen und Schüler sollen bundesweit von diesem Programm profitieren. Revolutionär
daran ist, dass die Mittel nach Bedürftigkeit und nicht nach dem üblichen Verteilsystem des
Königsteiner Schlüssels verteilt werden. Zudem können die Länder das Geld gezielt an die
Schulen weitergeben, die es am dringendsten benötigen.
Mit den Mitteln sollen beispielsweise zusätzliche Sozialarbeiter und Logopäden eingestellt
werden, um Schülerinnen und Schüler gezielter beim Lernen zu unterstützen. Das Geld darf
auch in eine "moderne Schulinfrastruktur" investiert werden. Der Start des Programms ist für
das anstehende Schuljahr im Herbst geplant.
Obwohl Staatssekretär Dr. Urban Mauer zugesichert hat, dass die Umsetzung und das
Controlling des Programms möglichst unbürokratisch organisiert werden sollen, bestehen
erhebliche Zweifel, ob dies in der Praxis wirklich realisiert werden kann. Die administrativen
Aufgaben könnten die ohnehin stark belasteten Schulen zusätzlich unter Druck setzen.
Erfahrungen aus früheren Programmen zeigen, dass die administrativen Anforderungen oft
höher sind als zunächst angekündigt. Diese Bürokratie könnte die Schulen, die das Programm
am dringendsten benötigen, weiter belasten und ihre Ressourcen strapazieren.
Es ist unklar, wie nachhaltig die Maßnahmen des Programms wirklich sind. Die
angekündigten Investitionen in Infrastruktur und zusätzliche Fachkräfte sind begrüßenswert,
doch es muss sichergestellt werden, dass diese Verbesserungen auch langfristig bestehen
bleiben. Kurzfristige Maßnahmen bringen nur begrenzte Erfolge. Eine kontinuierliche und
dauerhafte Unterstützung ist notwendig, um echte Veränderungen zu bewirken. Ohne eine
langfristige Perspektive bleibt das Programm eine bloße Symptombekämpfung.
Die Verteilung der finanziellen Mittel wirft Fragen auf. Es muss transparent gemacht werden,
nach welchen Kriterien die Gelder verteilt werden und wie sichergestellt wird, dass wirklich
bedürftige Schulen davon profitieren. Es besteht die Gefahr, dass finanzielle Mittel nicht
zielgerichtet eingesetzt werden und Schulen in besonders herausfordernden Lagen nicht
ausreichend unterstützt werden. Die LEiS-NRW fordert eine klare und faire Verteilung der
Mittel, die den tatsächlichen Bedürfnissen der Schulen entspricht.
In der aktuellen Planung scheint die Einbindung der Elternschaft unzureichend zu sein. Eltern
sind zentrale Akteure im Bildungsprozess und sollten stärker in die Ausgestaltung und
Umsetzung des Programms einbezogen werden. Ihre Perspektiven und Anliegen sind
entscheidend für den Erfolg der Bildungsmaßnahmen. Die LEiS-NRW fordert eine stärkere
Beteiligung der Eltern in den Schulkonferenzen für die Entscheidung der Mittelverwendung
vor Ort einzubinden.um sicherzustellen, dass ihre Erfahrungen und Vorschläge berücksichtigt
werden.
Die wissenschaftliche Begleitung des Programms ist grundsätzlich positiv zu bewerten, doch
es muss sichergestellt werden, dass die Ergebnisse dieser Begleitung auch tatsächlich in die
Praxis umgesetzt werden. Oftmals bleibt es bei theoretischen Empfehlungen, die im
Schulalltag wenig Beachtung finden. Es braucht klare Mechanismen, wie wissenschaftliche
Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen überführt werden können. Ohne diese Umsetzung
bleiben wissenschaftliche Erkenntnisse wirkungslos.
Der Einsatz zusätzlicher Fachkräfte ist eine wichtige Säule des Programms. Doch der aktuelle
Fachkräftemangel in vielen Bereichen des Bildungswesens stellt eine erhebliche
Herausforderung dar. Es bleibt abzuwarten, ob die benötigten Fachkräfte in ausreichender
Anzahl und Qualität tatsächlich zur Verfügung stehen werden. Die LEiS-NRW betont, dass
ohne qualifizierte Fachkräfte das Programm seine Ziele nicht erreichen kann.
Das Startchancen-Programm mag gut gemeint sein, doch es geht das zentrale Problem des
Bildungssystems nicht an: den Mangel an Lehrkräften. Der Bund darf Lehrkräfte nicht
finanzieren, das ist Ländersache. Und selbst Milliardenbeträge könnten die dringend
benötigten Fachkräfte nicht herbeizaubern. Das Startchancen-Programm bleibt für dieses
Problem die Lösung schuldig, betont die LEiS-NRW.
Die über Jahre gewachsenen Probleme im deutschen Schulsystem sind enorm. Sie reichen von
einem eklatanten Lehrermangel und maroden Schulgebäuden bis hin zu überfüllten Klassen
und Unterrichtsausfall, der nicht aufgeholt wird. Die Hoffnung auf Bildungsgerechtigkeit ist
groß.,
Zusammenfassend begrüßt die LEiS-NRW die Bemühungen des Schulministeriums, die
Bildungsgerechtigkeit zu verbessern. Allerdings bedarf es einer sorgfältigen und kritischen
Überprüfung der genannten Punkte, um sicherzustellen, dass das Startchancen-Programm
tatsächlich die gewünschten Erfolge bringt und keine zusätzlichen Belastungen für die
Schulen und deren Akteure entstehen. Wir fordern eine stärkere Einbindung der Eltern und
eine transparente, nachhaltige Umsetzung des Programms, um den Bildungserfolg unserer
Kinder nachhaltig zu sichern.
Für Rückfragen und den weiteren Dialog stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Team Vorstand
LEiS-NRW e.V.
Harald A. Amelang
amelang@leis-nrw.de
01577 – 58 49 450
http://www.leis-nrw.de
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