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Keine Schülerin, kein Schüler darf zurückgelassen werden!

24. Januar 2025

Keine Schülerin, kein Schüler darf zurückgelassen werden!

Die Antwort der Landesregierung Drucksache 18/12527 auf die Kleine Anfrage 4826
Drucksache 18/11938 zur steigenden Zahl junger Menschen ohne Schulabschluss zeigt eine
Vielzahl von Maßnahmen auf. Als LEiS-NRW begrüßen wir grundsätzlich, dass die
Problematik erkannt und adressiert wird. Dennoch bleibt aus unserer Sicht unklar, ob die
derzeitigen Strategien ausreichend sind, um sicherzustellen, dass kein Kind und keine*r
Jugendliche*r in Nordrhein-Westfalen das Bildungssystem ohne Perspektive verlässt.

Die Tatsache, dass laut OECD-Studie der Anteil der 25- bis 34-Jährigen ohne Schulabschluss in Deutschland von 13 auf 16 Prozent gestiegen ist, ist alarmierend. Dass Nordrhein-
Westfalen trotz vielfältiger Maßnahmen keine Trendwende herbeiführen konnte, muss zu
denken geben. Hinter jeder dieser Zahlen steht ein junger Mensch, der ohne die notwendigen
Grundqualifikationen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft benachteiligt ist. Dieser
Zustand widerspricht den Grundsätzen einer inklusiven Bildung, die alle Schülerinnen und
Schüler befähigen soll, an der Gesellschaft teilzuhaben.

 

Die LEiS-NRW beharrt darauf, dass bei der Gestaltung und Umsetzung von
Bildungsprogrammen die Prinzipien der Integration und Inklusion noch stärker in den Fokus
gerückt werden. Das Konzept der integrierten Schulen ist darauf ausgelegt, alle Kinder und
Jugendlichen – unabhängig von ihrer individuellen Ausgangslage – mit einer qualitativ
hochwertigen Bildung zu versorgen. Leider wird in den Antworten der Landesregierung nicht
deutlich, ob diese Prinzipien konsequent umgesetzt werden. Maßnahmen wie
Langzeitpraktika, die berufliche Orientierung und der Einsatz von Übergangslotsen sind
wertvolle Ansätze, doch sie greifen oft erst, wenn das Problem der drohenden Schulabgänge
ohne Abschluss bereits manifest ist.
Es fehlt ein umfassender präventiver Ansatz, der frühzeitig ansetzt, um schulisches Scheitern
zu verhindern.

Zusätzlich müssen die räumlichen und personellen Rahmenbedingungen an den guten
pädagogischen Konzepten der integrierten Schulen ausgerichtet werden. Schulen brauchen
dringend ausreichend Differenzierungsräume, um die notwendige individuelle Förderung in
heterogenen Lerngruppen zu ermöglichen. Klassen müssen deutlich verkleinert werden –
maximal 25 Schülerinnen und Schüler, davon 5 mit inklusivem Förderbedarf und 2 Lehrkräfte
pro Klasse. Darüber hinaus sind Alltagshelfer*innen sowie grundsätzlich mehr Personal nötig,
um die Konzepte effektiv umzusetzen. Andernfalls drohen selbst die besten pädagogischen
Ansätze an den unzureichenden Rahmenbedingungen zu scheitern.

Kritisch sehen wir zudem, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf weiterhin in den Statistiken als "Schüler*innen ohne Abschluss" geführt werden,
obwohl sie in Bildungsgängen mit zieldifferenten Abschlüssen durchaus erfolgreiche
Bildungswege beschreiten. Diese Darstellung wird den Leistungen dieser Schülerinnen und
Schüler nicht gerecht und birgt die Gefahr, den Eindruck zu erwecken, dass ihr Erfolg
weniger wert sei. Die LEiS-NRW fordert daher eine differenziertere Betrachtung und
Darstellung dieser Bildungswege, um das tatsächliche Potenzial aller Schüler*innen sichtbar
zu machen.

In vielen Schulen haben Lehrkräfte ihre Rolle als ermutigende Bezugspersonen verloren. Statt
Schüler*innen – insbesondere diejenigen mit Schwierigkeiten – zu motivieren und ihnen Mut
zu machen, einen höheren Abschluss anzustreben, werden sie oft entmutigt und früh
„abgeschrieben“. Zu häufig bekommen Jugendliche, die Unterstützung am dringendsten
benötigen, zu hören: „Aus dir wird sowieso nichts.“ Diese Haltung darf keinen Platz in
unseren Schulen haben. Es braucht eine Kultur des Ermutigens und Förderns, in der gerade
schwächere Schüler*innen in ihrer gesamten Laufbahn begleitet und unterstützt werden.

Gleichsam bleibt die Frage offen, wie die Landesregierung sicherstellt, dass keine Schülerin
und kein Schüler durch die Maschen des Systems fällt. Die Talentschulen und das
Startchancen-Programm sind Schritte in die richtige Richtung, doch sie erreichen bei Weitem
nicht alle betroffenen Jugendlichen. Es ist notwendig, die strukturelle Unterfinanzierung
vieler Schulen zu beheben, die Anzahl der Lehrkräfte zu erhöhen und die Qualität der
Schullaufbahnberatung flächendeckend zu verbessern.

Besonders wichtig ist die individuelle Förderung in heterogenen Lerngruppen, wie sie in
integrierten Schulen praktiziert wird. Diese Schulen bieten durch ihr inklusives Konzept und
die Arbeit in multiprofessionellen Teams ideale Voraussetzungen, um jede*n Schüler*in mit
ihren oder seinen Stärken und Schwächen zu fördern.

Zusätzlich besorgniserregend ist der anhaltende Geschlechterunterschied bei den
Bildungsabschlüssen. Obwohl die Landesregierung geschlechtersensible Bildung als Ziel
benennt, fehlen konkrete Maßnahmen, um Jungen und junge Männer gezielt zu fördern. Hier
besteht dringender Handlungsbedarf, denn Bildungserfolg darf nicht vom Geschlecht
abhängen. Es bedarf wirksamer Strategien, die gezielt auf die unterschiedlichen Bedürfnisse
von Jungen und Mädchen eingehen, ohne dabei zu stereotypisieren.

Wir appellieren an die Landesregierung, die Anstrengungen zu verstärken, um sicherzustellen,
dass kein Kind und kein*e Jugendliche*r zurückgelassen wird.

In einer Gesellschaft, die Bildung als Schlüssel zur Chancengleichheit versteht, dürfen wir
uns nicht mit den bisherigen Ergebnissen zufriedengeben. Die Schulen in Nordrhein-
Westfalen brauchen eine stärkere finanzielle und personelle Unterstützung, um Bildung für
alle zu ermöglichen.

Nur durch eine ganzheitliche und nachhaltige Bildungspolitik, die präventiv, inklusiv und
individuell fördernd wirkt, kann die Zahl der Schulabgänge ohne Abschluss effektiv gesenkt
werden.

Keine Schülerin, kein Schüler darf zurückgelassen werden!
– das muss das oberste Ziel bleiben!

Harald A. Amelang
Team Vorstand
LEiS-NRW e.V.

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